Endlich ließ es meine Gesundheit zu, dass ich mein „Lieblingscafé aufsuchen konnte. Es liegt eingebettet zwischen einer Universität und einer Realschule. Die Sonne war warm, der Wind war herbstlich frisch. Draußen, unter dem Sonnenschutz saßen buntgemixte illustre Besucher jeglichen Alters und genossen den Service, das leckere Essen und den besten Milchcafé südlich der Autobahn, die nach Westen führt.. Es war nur noch ein Tisch frei. Es schien, als ob er extra für mich freigehalten wurde. Ich setzte mich und bestellte wie immer: Einen großen Milchcafé und ein belegtes Brötchen. Ich nahm mir Zeit, beobachtete die Besucher, genoss es wieder unter Menschen zu sein und hörte zu. Die Themen waren vielseitig, betrafen das eingeschränkte Leben, den Unterrichtsstoff, Zwischenmenschliches und unter anderem hatten politische Themen ihren Platz. Eben dieser „Meinungsausstausch“ der hier stattfand, wurde zunehmend dominierender und lauter.
Wie kann das sein? War ich zu lange weg? Was ist passiert, dass so eine politische Verdrossenheit um sich greift und Halbwissen sich in den Köpfen von Nachbarn, Freunden, Bekannten und Unbekannten manifestiert?
Es muss raus – ich kann nicht mehr an mich halten, will korrigierend, nicht belehrend sein.
Es fiel wohl auf, dass ich ein interessierter Zuhörer war. Ich wurde gefragt, ob Deutschland eine Verfassung hat und wo man sie zu kaufen bekommt.
Erstaunen machte sich in den Augen breit, als ich sagte, dass die Bundesrepublik keine Verfassung hat. Das Grundgesetz, dass m 23.05.1949 in Kraft trat, wird fälschlicherweise als Verfassung bezeichnet. Kann ein Gesetz eine Verfassung sein? Ich zitiere Google: „…Zwar wurde das Grundgesetz nach dem Ende vom Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg gegeben. Auch hatte es wie andere Verfassungen eine konstituierende (ist ein Begriff, der das grundlegende Bilden, Gründen, Festsetzen, Sich-Organisieren beschreibt) Bedeutung für den neuen Staat, denn die Verkündung des Grundgesetzes a, 23.05.1949 ist zugleich die Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland. Dennoch fehlten ihm entscheidende Attribute: Das Grundgesetz war und ist eben keine Verfassung. Es wurde nicht vom Volk in einem Referendum (Volksentscheid über eine bestimmte Frage) ratifiziert.
Aus heutiger Sicht, vor allem nach der Wiedervereinigung vom 03.10.1990 scheint die Frage anachronistisch (nicht in eine bestimmte Zeit, Epoche passend und daher überholt; zeitwidrig) zu sein. Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass das Grundgesetz die Verfassung des Bundesrepublik Deutschland ist. Dass das Grundgesetz 1949 nicht vom Volk verabschiedet worden war, ist hingegen nahezu in Vergessenheit geraden….“
Vielleicht ist es so gewollt, dass das Vergessen sich über dieses Geschehen legt. Warum? Die einen sagen vielleicht: Da der Politiker in seinen Entscheidungen nur seinem Gewissen unterliegt, ist es für ihn leicht, gegen das Gesetz verstoßen, es zu beugen oder zu brechen, um seine Interessen durchzusetzen. Das wurde ab dem Jahr 2015 uns in allen Nuancen hinreichend demonstriert.
Die anderen sagen: Schau dir den Kalgeri-Plan an. Dort ist der Geist manifestiert, der uns heute die „Vernichtung“ bringt.
Gegen eine Verfassung zu verstoßen, dass würde zu sehr auffallen und selbst in den hintersten Winkeln unserer Republik würde Unmut aufkommen.
Aber wir haben doch ein Verfassungsgericht. Ein Gericht, dass die Rechte aller Bürger in der Bundesrepublik Deutschland schützen soll. Ist diese Bezeichnung irreführend, wenn wir gar keine Verfassung haben?
Das würden bestimmt die anderen fragen.
Ich wurde mit der Aussage konfrontiert, dass die Bundesrepublik noch keinen Friedensvertrag hat. Auch hier korrigierte ich: Wir haben einen Friedensvertrag. In den 2 plus 4 Gesprächen wurde alles Notwendige geregelt – der Friedensvertrag war das Ergebnis.
Warum heißt es: Zwei-plus-vier-Vertrag?
Die Erklärung für den ungewöhnlichen Namen des Vertrags ist ganz einfach: An den Vertragsverhandlungen waren sechs Staaten beteiligt. Zwei deutsche Staaten, die Bundesrepublik Deutschland und die DDR, und die vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges USA, Großbritannien, Frankreich und die ehemalige Sowjetunion.
Auf die nächste Frage hin, musste ich erstmal etwas Zeit verstreichen lassen. Ich dachte, ich werde verarscht. „… aber „Ostdeutschland“ hat noch keinen Friedensvertrag. Es wird Zeit, dass die Politik aktiv wird, um dieses Versäumnis nachzuholen, damit wir sicher sind …!“
Leute, ich glaubte, ich wurde blass. Wie kann das sein? Ich fragte nach und bekam exakt die gleiche Frage, wieder serviert.
Ich verwies auf das Grundgesetz, worin die Bundesrepublik Deutschland immer als Ganzes betrachtet wurde, nie als geteilt. Inhaltlich betrafen 4 plus 2 Gesprächen ganz Deutschland.
Viele der jungen Gäste wussten, dass wir in der Bundesrepublik eine Demokratie haben, aber sie wussten nicht, war für eine – eben, die parlamentarische Demokratie. Was das genau heißt, darüber wurde philosophiert. So kam es, dass das Thema Wahl angesprochen wurde. Einigen, oder sollte ich sagen vielen war nicht klar, dass der Bürger nur einmal alle 4 Jahre die Möglichkeit hat, die politischen Richtung unseres Landes zu beeinflussen. Es wurde die Meinung vertreten, dass der einfache Bürger den Bundeskanzler wählt. Auch hier korrigierte ich und sagte, dass nur die Partei gewählt werden kann, nie der Bundeskanzler. Das Wissen, wer den Bundeskanzler wählt, schien verloren.
Im Stillen fragte ich mich, was die jungen Leute in den Schulen lernen und studieren. Die einen würden sagen: Es gibt wichtigere Themen und die anderen: Das ist Absicht, dass u.a. über dieses Wissen der „Mantel des Schweigens“ ausgebreitet wird. Ein mündiger Bürger wäre „ungut“.
Es war nervenzerfetzend und ich war froh, dass andere Themen zu Sprache kamen. Leise sagte mir ein Gegenüber, der öfter mal die Augen verdrehte: „Ich bete abends manchmal: Herr lass mehr Gras wachsen, denn die Herde Rindviecher wird immer größer…“ Ich aber frage mich: Ist das, von wem auch immer, so gewollt?
Ich lehnte mich zurück, genoss die Sonnenstrahlen, die an den Rändern des Sonnensegels vorbei auf mein Gesicht trafen und mit geschlossenen Augen hörte ich den vielen Stimmen zu. Genau das ist es, was es ausmacht: Hier findet sich das Leben, spiegeln sich Meinungen und es wartet immer ein belegtes Brötchen und ein großer Milchcafé auf mich.