Gespräch über den Gartenzaun

  • Und wer „bäckt“ noch? Der kleine Bäcker in der Umgebung von „Stöckigt “ hat zu. Er wartet auf das neue Kontingent. Aber wer bäckt denn noch, ist hier die große Frage. Mutter steht am Zaun und bespricht sich mit der Gartennachbarin Hedwig Müller. Sie bewohnt gleich uns ihr Gartenhäusel nach dem unsere Stadt in „Schutt und Asche“, man spricht von 66 %, lag und noch liegt. Es fehlt an Allem, so auch die Bäcker. Hans, der 16 jährige Nachbarssohn, der an einer alten Säge bastelte, kam hinzu. Du, Mama, die Brunners waren vor 2 Tagen im „Dorf Pöhl“, dort gibt es Brot. Der Bäcker öffnet früh um 6.00 Uhr seinen Laden und verkauft pro Familie ein 2 Pfund Brot, damit jeder etwas bekommt.Wir schreiben das Jahr 1945, gegen Ende Mai. Der Wonnemonat brachte uns das Kriegsende. Nun versuchen wir unsere anfallenden Alltagsprobleme zu lösen, im Moment eben die Suche nach einem Bäcker für Brot. Von Plauen-Waldesruh nach Dorf Pöhl über Wiesen und Felder, morgens gegen 2.30Uhr halb noch geschlafen, den leichten Luftschutz Klappstuhl unter dem Arm, marschierten wir los, Mutter, mein kleiner Bruder und ich. Frau Müller und Hans waren mit von der Partie. So zeitig in der Früh musste es sein, da ja andere Städter ebenfalls nach Brot suchten. Geduldig stellten wir uns dann in der „Schlange“ an. Wer nicht so lange stehen konnte, war also gut beraten mit seinen „Klappstuhl“, er konnte die Zeit bis zur Ladenöffnung glatt „aussitzen“. Es war ein langer mühseliger Marsch für uns Kinder, der Weg zu dem Bäcker wollte kein Ende nehmen. Dann endlich, geschafft. Mein kleiner Bruder öffnete seinen Klappstuhl, und kaum saß er, schlief er auch schon ein.Das „Wichtigste“ kommt jetzt zum Tragen. Jede Familie nur ein Brot. Du lieber Himmel. So einen Marsch schafft man nur einmal, und nicht alle Tage. Unsere gute Nachbarin hatte die zündete Idee: Hilde, gib jeden Kind seine Brotmarke und das Geld, damit sie ebenfalls ein Brot kaufen können, und sie sollen „Tante“ zu dir sagen, so, als kauften sie für ihre Familien ein. Also, verstanden. Wir übten. Mutter fiel der „Betrug“ nicht leicht. Mit meinem Bruder haben wir dieses „Spiel“, Tante statt Mutti zu sagen geübt, es klappte. Unterdessen rückte der Zeiger auf 6.00Uhr. Die Menschenschlange war riesig und wir mitten drin. Es roch köstlich nach frischem Brot. Vom Hunger will ich gar nicht reden, den hatten Alle. Dann erschienen die „Bäckersleute“, die Backstube und der Laden öffneten sich. Herrlich. Bitte glauben sie nicht, das sind „Grimms Märchen“, es ist nur die Realität. Als ich an der Reihe war, gab ich meine Brotmarke hin, bezahlte und bekam das „Begehrte“. Ohne meine Mutter anzusehen, ging ich aus den Laden. Danach kam unsere Nachbarin an die Reihe, so hatten die beiden Mütter das ausgemacht. Dazwischen sollte mein Kleiner Bruder sein Brot verlangen. Die Bäckerin schaute ihn an und sagte: Bist du denn schon wach, es ist ja noch so zeitig. Ja, er wäre mit der Tante da. So bekam er gegen seine Marke und Bezahlung auch sein Brot. Voller Freude und im Überschwang über diesen Besitz biss er in das noch warme Brot und rief,siehste „Mutti, ( das er Tante sagen musste, hatte er glatt vergessen ) nun habe ich auch eins gekriegt, ich habe doch solch einen großen Hunger! Die Bäckersfrau schaute fragend. Dann verstand sie, und sah den dünnen kleinen Kerl nur lächelnd an, wie heißt du denn? Peter. Ihr einziger Kommentar zu dieser Szene war: Komme gut mit deiner Mutti nach hause, mein Junge und lass` es dir schmecken.Nur kurze Zeit später kamen die Brotlieferungen per Auto in die noch vorhandenen „Läden“ oder neu eingerichteten Stellen zum Einkauf der Grundnahrungsmittel auf unsere Lebensmittelmarken. Wer die Bäcker waren, keine Ahnung. Diese Aktionen wurden von amtlicher Seite aus geregelt, z.B in Form von Brotfabriken irgendwo. Es ging sichtbar „aufwärts“!Das „Dorf Pöhl“ ist versunken. Es wurde geflutet, es gab seinen Namen der daraus entstandenen Talsperre -„ Talsperre Pöhl “ – . Bei Google findet man die Chronik des versunkenen Dorfes, wundervolle Bilder von der Talsperre und der gesamten Umgebung. Das „Vogtland Meer“ wie die Talsperre auch genannt wird, bietet Entspannung für Erholungssuchende durch die einzigartigen Möglichkeiten im Wassersport, mit den Booten, sowie mit der „Angel“. Wildromantische Wanderwege locken! Und, wir finden immer wieder Erklärungen und Hinweise auf das unvergessene, geflutete „Dorf Pöhl“.


    Anmerkung: geschrieben von Cora

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