Mielke und das Schach

  • Lebe deine Träume – Teil 2


    Endlich kam der erwartete Brief. Das amtliche Schreiben enthielt die Zusage für einen Platz zum Studium der Pädagogik, Fachrichtung: Mathematik, Physik. Ich kam meinem Traum, einmal zu Lehren, einmal Wissen zu Vermitteln, näher. Die Zeit bis dahin musste ich privat noch sinnvoll nutzen. Wir hatten 1956 eine 3Zimmer Wohnung bekommen. Nichts Besonderes für unsere heutigen Verhältnisse, nach den damaligen Behelfsquartieren schon. Die ehemaligen „Trümmerfrauen“ wurden dort eingesetzt, wo sie als Arbeitskraft gerade gebraucht wurden. Es fehlten bei uns die männlichen Kräfte in der Schuhfabrik zum „Stanzen“, so wurde unsere Mutter dort mit angelernt. Keine leichte Arbeit, zumal auch noch eine angegebene „Norm“ erfüllt werden musste. Ende der „50“ angelangt, war sie am Ende ihrer Kräfte und lange Zeit krank. Ich arbeitete unterdessen in meinen erlernten Beruf und nahm auch hier jede nur mögliche fachliche Weiterbildung wahr. Das Erste was ich so neben bei in unseren Betrieb arbeiten durfte, war ein Schlafzimmer für uns, später kamen noch einige Kleinmöbel hinzu, noch war es ein renommierter privater Betrieb, und es war möglich.Unterdessen waren wir konfrontiert wurden mit der „Politischen Polizei“ unter Erich Mielke angeblich zum Schutz der DDR und unserer Volkswirtschaft. Mit der „ NVA“, der Nationalen Volksarmee 1952, und hatten den „ 17. Juni“ den Volksaufstand, erlebt. Mein Freund Kurtlwürde wieder fragen: Warum? Warum nur! Dieses ganze Geschehen war nicht mein Traum, entsprach nicht annähert der Richtung: „ Nie wieder Krieg, oder, „auf das nie mehr eine Mutter ihren Sohn beweint“, dabei waren seit Ende des 2. Weltkrieges, seit 1945, seit die Kinder ihr Kriegsspielzeug ächteten, nur wenige Jahre vergangen und „Alles“ war wieder auferstanden aus den Ruinen, anderes Motto, andere Farbe. Sind wir Menschen unbelehrbar? Heute würde ich die Frage mit „Ja“ beantworten, die Geschichte zeigt es immer wieder. Napoleon scheiterte mit seiner Armee am russischen Winter, Hitlers Soldaten mussten gegen diesen unbesiegbaren Feind, Väterchen Frost, ankämpfen, und verloren in diesem Weiß, in dieser Kälte mit Eis und Schnee. Schach war mein Spiel geblieben, ich betreute diesbezüglich eine Jugend und eine Kindermannschaft. Es bereitete mir Freude und Entspannung, es verleitet zum „Denken“! – Lebe deine Träume, gleich wie sie enden. Oft sind sie nur kurz. Zu meinem Studium: Wir hatten kleine Zirkel, meist mit 6 Kommilitonen gebildet, das war zum Lernen günstig. Zu Beginn des 2. „ Semesters“ dann die Anfrage an uns Studenten, wie wir die Politische Lage sehen und beurteilen. Die Partei, Sicherheit, Armee, Aufbau, Wirtschaft, unsere Freiheit, die es zu schützen gälte. Es wurde der „Klassenfeind“ erwähnt und die Abwanderung von Ost nach West, und wie stehen sie dazu? Es wurde jeder befragt. In meiner Gruppe hatten wir 4 Studenten, die direkt vom Gymnasium mit Abitur zur Hochschule kamen, nur 2 hatten das Abitur neben einer praktischen Ausbildung an der Abendschule absolviert, einer davon war ich. Heute würde ich sagen, die Befragung war eine politische Auslese, wer nicht in das System passte, wer es nicht für gut befand, wer Kritik übte, bekam einfach den „blauen Brief“ und nahm am nächsten Semester nicht mehr teil, sein Studium war beendet, so wie das meine. Am Ende des 2. Semesters wurde ich noch einmal befragt, ob ich nicht meine Meinung geändert hätte, das „Blatt“ unterzeichne und in die Partei, die SED, eintrete, dann wäre alles in Ordnung, der Staat braucht linientreue Lehrer. Komisch, das erinnerte mich an unsere Lehrer von einst. War es damals auch so? Mussten sie in die „Partei“ eintreten, (so freiwillig?) um Lehren zu dürfen? Berthold, sie sind doch ein guter Schachspieler, sie können die „Züge“ im Voraus berechnen bis zum „Matt“, denken sie nach. Die Partei hat immer recht. – Ich durfte an meinen früheren Arbeitsplatz zurück kehren und war sehr dankbar dafür. Meine Mutter bekam im Juli 1961 von guten Freunden eine Einladung nach Bayern in ihren Urlaub. Sie sollte sich etwas erholen. Diese Möglichkeit bestand über Westberlin per Flug, für uns Ostdeutsche die einzige Möglichkeit einmal die Republik zu verlassen, das war allerdings illegal, aber der „Staatssicherheit“ wohl bekannt. Die „Mauer“ schloss diese einzige Lücke. Sie war eine geheime staatliche Überraschung. Die Gäste also, die im „Westen“ illegal weilten, mussten so durch die Kontrolle der Stasi mit den dementsprechenden Befragungen. Mutter, die mit vielen anderen auf den Rückflug war, bekam bei dieser Information einen schweren Herzanfall und kam stationär in ein Westberliner Krankenhaus für einige Wochen. Dieses Fehlen am Arbeitsplatz unterlag der Meldepflicht. Sie kam nie mehr nach Hause zurück, sie blieb im „Westen“. Mitte der 60ziger Jahre, ich hatte gerade geheiratet, bekam ich von Staatlicher Seite aus ein Fernstudium Angebot für „Kybernetik“. Ich habe es versucht, doch den Unterhalt verdienen dazu Frau und Kind, das war nicht zu schaffen. Ich lernte dafür noch Einiges in der Möbelbranche dazu.Ende der 60ziger Jahre traf ich noch einmal meinen Freund Kurtl. Er hatte sich dem Baugewerbe zugewandt, wollte mit Aufbauen, schöner und moderner denn je. Ich verstand ihn. Zum Abschied sagte er zu mir: Weißt Du noch Berthi wie wir gesungen haben, „sammelt Sand, Zement und Ziegelsteine für den Neuaufbau Berlins“- usw. aber an eine „Mauer“ haben wir dabei nicht gedacht, die hätten wir bestimmt nicht haben wollen, noch dazu die unwürdigen Schießereien, Deutsche Soldaten auf Deutsche, die hier nicht leben können, die „Mauer-Toten“, alles überflüssige Tränen. Im Sommer, im August 1972, auf reiner privater Initiative hin, verzog ich mit meiner Familie, nur mit Handgepäck, vom „Osten Deutschlands“ nach dem „Westen Deutschlands“. Dieser „Schachzug“ war teuer und mit übergroßem Risiko verbunden. Es stand dabei Etliches auf dem Spiel. Zwecks meinem weiteren geplanten Studium: Auch hier war natürlich eine Befragung fällig. Wie konnte ich diesen illegalen Übertritt schaffen mit 2 kleinen Kindern und meiner Frau. Da ich keinerlei Erklärungen abgeben wollte und konnte, um nicht Andere zu gefährden, musste ich mich gedulden. Als nach 2 Jahren die Situation geklärt war, und ich weiter studieren sollte, lehnte ich ab. Alles hat seine Zeit, meine war dafür vorbei. Meine Tochter begann im September hier in Freiheit ihren ersten Schultag. Es war gut so. Bis heute sind über 60 Jahre vergangen in Deutschland ohne Krieg. Hiermit erfüllt sich der größte meiner Träume, keine Tränen mehr für unsere Mütter um ihre Söhne durch Kriegsgeschehen.Dem Schach bin ich treu geblieben, gedenke so lange, bis der „Große Meister“ einst im Spiel des Lebens mir ein „Schach matt“ bietet und die Figuren beiseite legt.


    Anmerkung: geschrieben von Berth Berthold

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