Es ist einige Zeit vergangen, seit ich ein erneutes Projekt mit den Kindern der Freien Grundschule Leonardo aus Chemnitz angekündigt hatte. Hier ist mein versprochener Bericht:
Die Klasse 1 wurde für den Kunstunterricht in 2 Gruppen mit jeweils 10 Schüler aufgeteilt. Das hat den Vorteil, dass jede Schülergruppe einen intensiveren komplexen 2 stündigen Unterrichtsblock „genießen“ kann.
In der 1. Stunde werden von Frau Kunz-Freudenberg einzelne Geschichten aus meinem Buch „Was krabbelt was im Morgentau“ vorgestellt. In einem Telefonat erzählte sie mir, dass die Spannung, die die Kinder beim Vorlesen offenbar erfasste, groß gewesen ist. In den Augen, der Gestik und Mimik konnte sie erkennen, wie sehr sich die Kinder in die Welt der Tiere hinein versetzen. Je höher die Spannung wuchs, desto näher rückten sie an die Vorleserin heran, um jedes Wort noch intensiver zu erleben und um die schön gezeichneten Bilder gut erkennen zu können.
Als der Unterricht vorbei und die Stimme der Lehrerin verklungen war, galt es abzustimmen (was gar nicht so einfach war), welche Geschichte in der jeweiligen Gruppe die „Lieblingsgeschichte“ ist.
Die Erste wählte: „Peter, das kleine Häschen“, Gruppe B: „Pitti, das Rehkitz“.
Lassen wir nun Frau Kunz-Freudenberg weitererzählen:
„.In der 2. Stunde besprachen wir beide Geschichten. Über sie konnte ein Bezug zu sozialen Themen gefunden werden. Besonders das Thema „Miteinander“ rückte in den Mittelpunkt. Füreinander da sein, mit anpacken, Rücksicht nehmen auf andere, all das sind Dinge, die Kinder bewegen. Mit der Zeit erkannten die Kinder, dass das nicht leicht ist und dass man dies Schritt für Schritt erlernen muss…“
Weiter erklärt sie mir: „…Kinder bekommen in den Geschichten vermittelt, das Vertrauen zu einem Gefühl der Sicherheit führt. Wer sich sicher fühlt, ist fast automatisch selbstbewusst und stark. Er kann darauf vertrauen, dass die Eltern jederzeit für sie da sind. Aufgrund eines momentan aktuellen Themas – das da heißt: Wie komme ich mit dem anderen zurecht, kann ich den anderen leiden, wie gehe ich mit der „Aggressivität“ oder auch der „Passivität, meines Banknachbarn und Klassenkameraden um – in der Schule, erzählten die Schüler von selbst, welche Erfahrungen sie bereits mit diese Themen sammeln konnten.
In der „Pause“ unterhielten sich die Kinder lebhaft über die Geschichten, die sie gehört und ausgewählt hatten. Gleich nach Beginn der nächsten Unterrichtsstunde, wurde der Inhalt und Sinn jeder Geschichte erörtert, die Figuren benannt und versucht ihr einen Charakter zuzuordnen. Interessant war die spielerische Umsetzung der Charakterzuordnung – z.B. Traurigkeit, Unternehmungslust, Risikobreitschaft, Eigensinnigkeit, Fröhlichkeit…“.
In den folgenden Unterrichtsstunden erhielten die Schüler die Aufgabe, eine Szene „ihrer“ Geschichte aufzuzeichnen, die sie besonders beeindruckt hatte. Die Schüler ließen ihre Phantasie spielen und es entstanden viele unterschiedliche Bilder auf weißem A5 Papier, mit gezeichneten Figuren aus Bunt- und Filzstiften.
Jeder Schüler wählte sich seine Lieblingsfigur aus, die er auf weißem Zeichenkarton und Pappe darstelle. Außerdem galt noch Ideen für Requisiten für unsere „Geschichtenkiste“ (Kleinstbühne in Kartonformat) zu sammeln und aufzuzeichnen.
Schnell zeichnete sich ab, wer bestimmte Tiere schon gut zeichnen konnte und wer gute Ideen bei der Umsetzung der Requisiten hatte.
Scharfe Scheren, von Kinderhand geführt, schnitten die Spielfiguren aus dem weißen Blatt. Mit Bunt- und Filzstiften gaben sie den Figuren „Leben und Charakter“.
Es war eine Freude für mich zu sehen, mit welcher Begeisterung die Kinder bei der Umsetzung ihrer Gedanken und Fantasien waren. Als würde eine Zauberer jedes Mal mit seinen Fingern schnippen, waren die 90 Unterrichtsminuten vorbei. Die Kinder kommentierten das Unterrichtsende oft mit: „Ohh, schon zu Ende, schade…“
Frau Kunz-Freudenberg schlug den Schülern vor, die entstandenen Spielfiguren und Requisiten jeweils in eine „Geschichtenkiste“ zu platzieren. Es galt im Vorfeld zu überlegen, welche Szene auf der „Kleinstbühne“ sehen und gespielt werden soll. (Das ist die Idee des Geschichtenkastens).
Gruppe A einigte sich spontan auf die Szene, in der sich Peter in den Garten von Herrn Griesgram schlich: „Peter hatte schlechte Laune. Da saß er nun vor den besten Hasenleckereien der Welt und war einfach nicht hungrig. Das war wirklich sehr – sehr… na dumm war das! In seinem riesengroßen Kummer hatte Peter nicht mehr auf die Umgebung geachtet. Ein Glück, dass Frau Elster da war. Sie hatte alles gesehen. Dass Peter nicht mehr bei seinen Brüdern war, dass er in den Garten gehuscht war, dass es stehlen wollte und sie sah Herrn Griesgram mit seinem Hund Fass-an um die Ecke kommen.“
Die Gruppe B fand die Szene besonders spannend, als Pitti von Hasso, dem Hund des Jägers entdeckt wurde: „Hasso, der Hund des Jägers hatte Pitti schon erspäht. Abwechselnd sah er hinauf zu seinem Herrn und dann wieder zu Pitti, dem Rehkitz. … „Wie lange sollte denn das Hopsen und Springen denn noch dauern? Sah sein Herr nicht, was da vor sich ging, wie dieses Reh da sorglos auf der Wiese herum hüpfte?“
In den letzten 10 Minuten der Unterrichtsstunde konnten die Schüler die kopierten Malvorlagen aus dem Kinderbuch von Stan Marlow malerisch ausgestalten. Sie waren mit Begeisterung dabei.
Ich stelle selbstverständlich Bilder von der „Kleinstkunstbühne“, nach Geschichten geordnet in meine Bildergalerie. Gespannt bin ich, wie das Projekt weiter geht, wann die Aufführung, der Ort ist mir noch unbekannt“, stattfindet.
Ist es nicht die ureigene Aufgabe einer Schule u.a. Kinder nicht nur im Wissen zu erziehen, besondere Begabungen zu erkennen und protegieren und die soziale Kompetenz zu festigen? In diesem künstlerisch gestalteten Projekt finde sich das alles wieder. Es wäre schön, wenn dieses Projekt über die Grundmauern der Freien Grundschule Leonardo bekannt würde. Ich bin sicher, dass der Leiter dieser Schule ebenso begeistert ist, wie ich. Mit seiner freundlichen Unterstützung können bestimmt Medien aus Chemnitz gewonnen werden, die über die 1. Klasse der Freien Grundschule Leonardo, ihrer Lehrerin und ihr Projekt berichten. Gern unterstütze ich solche Aktivitäten und werde natürlich berichten, wie es weitergeht.